Akustische Stadtplanung
Author: | Winfried Ritsch |
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Version: | 1.01, 2005, 2011 überarbeitet 2011 (schreibfehler, ...) |
Date: | CCbySA (c) winfried ritsch (18.11.2005) [stopspot] |
Vorwort
Schon im alten China und später in Japan wurde die akustische Umgebung für den Kaiser nicht nur möglichst ruhig gehalten, sondern auch geplant und gepflegt. Das Aussetzen von Grillen, Singvögel, die Verwendung von verschiedener Kieswege, die Installation von Glocken, waren Teil davon. Gleichzeitig wurde mit der Zuweisung von erlaubten Tönen und Akkorden bei Glocken zu verschiedenen Bezirken (Richtungen) einer Stadt nicht nur eine klangliche Identitäten verschrieben, sondern auch in der damaligen Art akustische Raumplanung betrieben.
Klänge und Geräusche sind Teil unserer gestalteten Welt und akustische Umweltverschmutzung wird immer mehr zum Thema und Einschränkung der Lebensqualität. Es wird jedoch nicht bewusst die Trennung zwischen akustischer Identität und „Verschmutzung“ durch Umweltgeräusche unterschieden. Zur Ausbildung von lokalen akustischen Identitäten könnte bei Stadtentwicklung nicht nur der Weg der Lärmverminderung beschritten, sondern auch durch bewusstes Gestalten einer klanglichen Umwelt die Entwicklung klanglichen Identitäten regional gefördert werden, wie dies meist implizit durch die Fokussierung auf Gewerke und deren Geräuschbilder passiert.
Akustische Stadtplanung im alten Kyoto
Als Beispiel zur Illustrierung von akustischer Klanggestaltung wird wie im Buch „Klänge des Kosmos“ [naka00] von Nakagawa beschrieben wird, die „Ästehtik der Klanganordnung“ im alten Kyoto eingegangen: Die Stadtplanung des Kaiser Kanmu basierte auf der Philosophie der Vier-Götter-Topologie denen Himmelsrichtungen und bestimmte Klänge zugeordnet waren. Damit wurde implizit die Verwendung eines strengen Konzeptes für klangliche Identitäten von Bezirken (Himmelsrichtungen, bzw. Stadtteilen) in diesen Städten realisiert. Diese Klänge dienten nicht nur mystischen Zwecken, sondern erlaubten auch eine akustische Orientierung innerhalb der Stadt. Die Klänge wurde auch als akustische Signale von Zeitpunkten (Schließen der Stadttore etc.) verwendet. Damit wurden im alten Japan bewusst Klänge in die Stadt in einer Art akustischer Raum(zeit)-Planung imprägniert. Da das Hören von Klängen, speziell bei Einbruch der Dunkelheit und in der Nacht, eine große Bedeutung hatte, war einer der Hauptinitiatoren der Regulierung von Klängen, basierend auf die Regeln von Religionen oder Mythen, dessen Institutionen die sich aufgrund der vorherrschenden hierarchischen Strukturen gebildet hatten.
Die Klanggestaltung an besonderen Orten
rituelle Stätten, hatten Klangkonzepte wie Kieswege (das Knirschen beim Gehen mit unterschiedlicher Körnung und Material) oder Besiedelung mit Tieren wie Grillen und Vögel (frei oder auch in Käfigen). Es gab Zeremonien mit Abfolgen von verschiedenen Klängen und Klangumgebungen, unter anderem auch das Spielen von Instrumenten nicht nur als Konzert, sondern als Hintergrundsgeräusche also als Klangumgebung. Die Identität dieser Klangwelt war auch eine Art Markenzeichen der jeweiligen Institution.
Stadt als Klang des Chaos
In vielen Berichten aus dem Mittelalter wird die Stadt als Klang des Chaos dargestellt. .. ,sowohl in . ! Beispiele anführen oder referenz. Das Geräusch wurde meist nur als störend empfunden. Nur „Dichter“ beschreiben Orte in der Stadt durch spezielle Klangereignisse und -zustände, wie "der Ruf des Nachtwächters", "das Geschrei der Marktfrauen", "das Hämmern der Schmiede" in der Gasse, usw.
Geräusche als Musik
Erst viel später, Anfang des 20.Jhdt., gab es die ersten Ansatzpunkte in der westlichen Kultur Alltagsgeräusche als Musik wahrzunehmen. Die ersten Ansätze finden sich bei den Futuristen der 20er Jahre, speziell in Italien.[prie60]_ Dabei wurden elektrische Geräuschmaschinen, die „Geräuschtöner“, bei Musikkonzerten eingesetzt. Eine breite Akzeptanz in der Kunst gab es erst viel später, durch die Etablierung von Aufnahmen aus der Natur, der "Musique concrete" in Frankreich, sowohl im Rundfunk, als auch bei Lautsprecherkonzerten.
Die Klänge der Stadt als Identität
1930 realisierte der Cineast Walter Ruttmann mit Hilfe der Tonfilmspur sein akustisches Kunstwerk "Weekend", das damals auch als photographisches oder als Film-Hörspiel bezeichnet wurde. "Weekend" ist die erste für das Radio realisierte Klangmontage. Das Werk wurde am 13. Juni 1930 über die Programme der Berliner und der Schlesischen Funkstunde gesendet. Dabei wurde die Großstadtklänge als eine Musik behandelt und Alltagsgeräusche geschnitten wobei diese in einer Art Stabreim angeordnet:
- Maschinengeräusche als Identität von funktionierender Industrie
- Alltagsgeräusche in Wechselbeziehung zum Rhythmus des Tages der Stadt
Die Stadt als erlebbare Klangwelt und Komposition
Peter Ablinger setzte sich schon früh in seinen Werken mit Klängen der Umwelt auseinander und im Gegensatz zu den "Musique concrete" der Pariser Schule mit dem Hören des Umgebungsklangs und dem Spiel mit spektralen Zusammensetzung von längeren Aufnahmen (Verdichtungen). Dabei wird sowohl in „Hinweisstücken“ Hörsituationen in der Stadt thematisiert und aktives Hören provoziert, als auch Zusammenstellungen von Stadtklängen als Werk präsentiert.[abl03]_
Maßnahmen in der Stadt der akustischen Gestaltung sind oft nur Zwecke des Schallschutzes, der Akustiker wirkt als "Doktor" zur Heilung von akustischen Wunden. Diese können jedoch auch andere Geräusche hervorheben und damit auch deren störende Wirkung mindern, beziehungsweise könnte versucht werden, akustische Realitäten auszublenden.
Dabei werden die Eigenheiten, Zeitverläufe, Spektren oft nicht einbezogen. Die Akzeptanz von Klängen hängt mit der Umgebung zusammen.
Ausgangsspunkt einer Analyse zur Fragestellung „Wie klingen die Bezirke, Plätze, Einfahrtwege und wie veränderten sich diese Geräuschbilder über die Jahre ?“ könnte eine akustische Kartografie sein. Dabei sollte über Zeiträume hinweg Aufnahmen einer Stadt erfolgen, wobei es nicht nur Einzelgeräusche erfasst werden sollen, sondern auch durch Superposition von Klängen über den Raum und die Zeit eine Art Zoomfunktion bieten. Mit dem damit erfassten „Rauschen einer Stadt“ könnten eine akustische Landkarte erstellt werden.
Eingriffe in die Stadt
Mit der Klanginstallation "Randbedingungen" wurde in Graz ein sich ständig den Besuchern gerichtetet Bewegungssensoren anpassender Klangraum geschaffen, welcher ständig die klangliche Identität des Platzes interaktiv änderte. Somit reagiert die Klangumgebung auf die Nutzung.
Der rauschende Brunnen ist ein akzeptierter Eingriff in die Klanggestaltung von Plätzen, Innenhöfen und Gastgärten. Das Überlagern von prägnanten Klängen, wie zum Beispiel Glocken, Sirenen, Muetsin wird als Positionierung von Institutionen verwendet. Klangkunst in Form von Klanginstallationen im Öffentlichen Raum, wenn auch meist nur temporär, ist eine mittlerweile akzeptierte Kunstform.
Doch auch technische Anlagen, Straßen sind auch akustische Eingriffe in eine Stadt und nicht nur Kunstklänge, welche gezielt platziert werden. Dabei ist auch die Akustik von verwendeten Materialien, Reflexionsflächen, Schallausbreitung entscheidende Faktoren. Damit könnte auch eine aktive Gestaltung von Klängen, welche andere ausblenden oder sich durchsetzen ohne störend zu sein als ein Ansatz einer akustischen Stadtentwicklung gesehen werden. Es sollten klangliche Identitäten von Stadtteilen oder Plätzen berücksichtigt und definiert werden. Die Sirene des Dienstschluss von Fabriken ist verschwunden, es bleiben einzelne rituelle Klänge von Kirchenglocken oder ähnlichen... dazu stellt sich die Frage: „Spiegeln diese unsere Zeitgeist und unsere Lebensart wieder ?“.
Schlussfolgerung
Klanginstallationen als Objekte oder klang-gestaltende Maßnahmen können zur Verstärkung oder Schaffung von Identitäten von Orten eingesetzt werden. Oft erst der Ausklang oder das Verschwinden von Klängen zu bestimmten Zeiten regelt die Wahrnehmung von Zeit und Orientierung innerhalb eines Systems.
- Akustische Stadtentwicklung sollte auch unter den Gesichtspunkt der Identität der Umgebung und in einen städtischen zusammenhängenden Kontext funktionieren.
- Eine akustische Landkarte mit den heutigen Technologien der digitalen Präsentationen (siehe Google-Earth) könnte ein Ansatzpunkt für die Wahrnehmung von akustischen Identitäten sein.
- Die Kultivierung von natürlichen und künstlichen Umweltgeräuschen würde eine zusätzliche Wahrnehmung und Orientierung ermöglichen.
- Der gezielte Einsatz von Klanginstallationen zur Stadtgestaltung wäre ein erster Schritt dazu, wobei sich diese als adaptive Systeme in Raum und Zeitverlauf der Umwelt eingliedern sollte.
[stopspot] | Symposium „Akustische Umweltverschmutzung“ Freitag 18. November 2005, 14 Uhr, Mediendeck O.K Centrum, http://stopspot.servus.at/2005/?spot=details&artist=AkustischeUmweltverschmutzung |
[naka00] | (1, 2) "Kyoto - Klänge des Kosmos", Shin Nakagawa, Band 228 von Internationaler Merve-Diskurs, Merve-Verlag, 2000, ISBN3883961604 |
[prie60] | "Musica ex machina: über das Verhältnis von Musik und Technik", Fred K. Prieberg Verlag Ullstein, 1960, Berlin-Wien |
[abl03] | „Der Gesang“, anlässlich der Stadtoper Graz, 36 CDs mit Aufnahmen über 8 Jahre, produziert aam IEM Graz. |